Wie geht eigentlich Schreiben?
- Emanuel Leicht
- 3. Juli 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Juli 2022

Seit ich mit meinem Manuskript und der Website in die Öffentlichkeit gegangen bin, werde ich von vielen meiner Freunde und Bekannten gefragt, wie ich das eigentlich gemacht habe, so ein ganzes Buch zu schreiben.
Mein erster Gedanke ist dann immer "Moment, es ist noch kein Buch, erstmal ein Manuskript!". Der Unterschied besteht für mich darin, dass noch kein Lektor darüber gegangen ist und mir 250 Seiten mit dem Rotstift rausgestrichen hat. Für die eigentliche Fragestellung ist das aber Haarspalterei, deswegen lassen wir das mal außer acht.
Also, wie funktioniert das mit dem Schreiben? Setzt man sich einfach hin und los geht's?
In gewisser Weise: Ja.
Auch den höchsten Berg kann man nicht erklimmen, wenn man nicht irgendwann den ersten Schritt tut. Bei mir lief das so:
Ich hatte ja diese kleine Wette gegen mich selbst gewonnen (hier nachzulesen) und wusste, dass ich einen echten, ganzen Roman schreiben will.
Da ich von der Theorie dahinter keine Ahnung hatte und Perfektionist bin, habe ich mich erst einmal in Ratgeber eingelesen. Ich sage nicht "gekauft", da ich mich zu Beginn wie in Wild West-Manier quer durchs Internet fräste und einfach alles an Schreib- und Self Publisher-Blogs, Schreibratgeber-Seiten, How-Tos und anderem Kram konsumiert habe, der auch nur vage versprach, mir zu erklären, wie Buch geht.
Weil ich aber ebenso jemand bin, der ungerne lange fackelt, sondern einfach mal probiert, habe ich parallel dazu schonmal mit dem Schreibprozess angefangen. Das Wort "Prozess" ist bewusst gewählt, denn mein Vorgehen hatte eine sehr lange Zeit gar nichts mit dem Erstellen des Romantextes zu tun. Im Gegenteil!
Ich habe die sogenannte Schneeflockenmethode benutzt. Das bedeutet, dass ich das Gerüst meiner Geschichte zuerst grob skizzierte und dann immer weiter verfeinerte.
Zuerst habe ich die Idee in Form eines kurzen, prägnanten Satzes zusammengefasst.
Anschließend machte ich aus diesem Satz fünf Sätze, wobei diese bereits das Grundgerüst der drei Akte bildeten (zweimal zwei und einmal ein Satz).
Diese kurzen Beschreibungen wurden nun aufgebohrt, sodass jeder Akt mit insgesamt fünf eigenen Sätzen beschrieben wurde.
Schließlich skizzierte ich die unterste und detaillierteste Ebene, indem ich aus jedem dieser fünf Sätze pro Akt wiederum fünf Sätze erstellte.
Am Ende kam ich somit auf 3x5x5 = 75 Sätze, die auch die ersten logischen Sinn-Abschnitte des Romans bildeten.
Parallel dazu habe ich die Charaktere entwickelt, zwischenmenschliche Konflikte und die Heldenreise eingewoben, und den Planeten Tworra entworfen.
Das hört sich jetzt viel komplizierter an, als es ist. Vor allem ist es Fleißarbeit und erfordert Disziplin. Das Ausarbeiten einer Fantasiegeschichte an sich ist erstmal keine Raketenwissenschaft.
Als ich das alles vor mir liegen hatte, begann ich damit, die einzelnen Szenen "auszuplotten". Für jede Szene gab es also eine kleine Tabelle, in der die äußeren und inneren Konflikte kurz beschrieben werden, ebenso der Höhepunkt, die Auflösung, der Übergang in die nächste Szene, und noch ein paar andere Sachen.
Vom Start bis zu dem Zeitpunkt, als ich alles erstellt hatte, vergingen drei Jahre.
Und dann?

Irgendwann ist es soweit, und man kann nichts mehr tun, außer (endlich!) mit dem Schreiben des Manuskripts zu beginnen. Und das geht so: Erstes Wort. Zweites Wort. Drittes Wort...
Das muss man einfach machen. Theoretisches Wissen über das Schreiben von Szenen, Dialogen, Charakteren, Konflikten und all dergleichen, ist natürlich hilfreich - irgendwie auch notwendig. Aber ums Schreiben kommt man nicht herum.
Auch ich habe mich drei, vier Jahre lang neben dem Beruf in theoretischem Wissen über das verfassen von spannenden Romanen weitergebildet und eine ganze Sammlung an How Tos angelegt.
Ich nehme auch kein Blatt vor den Mund: Das war mir damals alles völlig neu. Im Grunde bin auch heute noch absoluter Quereinsteiger, nur halt acht Jahre und 900 Seiten später.
Aber ewiges Üben und Theoretisieren bringt ja nix. Denn nichts lehrt so gut, wie das Schreiben selbst. Jeder, der die ersten 100 Seiten meines Manuskripts mit den letzten 100 Seiten vergleicht, versteht, was ich meine.
Mit dem Schreiben des Manuskripts habe ich dann weitere vier Jahre verbracht. Ich schrieb Szene für Szene, ließ sie über Nacht liegen, las sie von vorn, und korrigierte sie. Die gleiche Schleife habe ich pro Kapitel gedreht. Und als ich alles im Kasten hatte, bin ich zurück auf Seite 1, und habe das ganze Buch redigiert. Logiklöcher gestopft, Charaktere ausgebessert, Dialoge verfeinert. In der ersten Runde musste ich im Mittelteil eine Menge umschreiben, weil es nach dem ersten Entwurf einfach noch nicht rund war.
Als ich damit fertig war, bin ich erneut zurück auf Seite 1, und begann das gleiche Spiel von vorn.
Aber dann kam für mich schließlich der Punkt, an dem ich zwar noch zig Mal zurück auf Seite 1 hätte springen können, es aber qualitativ nicht mehr viel gebracht hätte. Ich hatte bis dahin nämlich noch niemanden die Geschichte lesen lassen, auch nicht Teile davon.
Deswegen war es dann an der Reihe, Testleser zu finden, die einen völlig anderen, frischen, unverbrauchten Blick auf das gesamte Konstrukt haben. Und in dieser Phase befinde ich mich heute - meine wundervollen Testleser geben mir wöchentliches Feedback zu den von mir häppchenweise gereichten Kapiteln :-).
Also. So geht Schreiben.
Zumindest für mich...
Andere Autoren haben da durchaus andere Herangehensweisen und Weisheiten. Stephen King, der amerikanische Großmeister des Story Telling, ist ein leidenschaftlicher explorativer Schreiber, das heißt er setzt sich einfach hin, schreibt seine Geschichte runter, und sieht unterwegs, wohin ihn seine Gedanken führen. Das ganze sollte laut ihm auch nicht länger als ein paar Monate in Anspruch nehmen, und am besten in einem kargen Zimmer ohne Ablenkungen.
Das ist nicht so ganz das, was ich oben beschrieben habe, oder?
Ihr seht also, "wie Schreiben geht", muss jeder ein bisschen selbst herausfinden. Aber ich hoffe, ich konnte euch heute einen Einblick in meine kleine Welt des Fantasierens geben ;-).
Einen schönen Sonntag Abend wünsche ich euch!
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