Von der Unruhe, Schreiben zu müssen.
- Emanuel Leicht
- 26. Juni 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Juli 2022

Eine handelsübliche Situation aus meinem Leben:
Der Tag war lang, endlich sind die Kinder im Bett, der Absacker steht vor mir, und meine Frau und ich können zur Ruhe kommen.
Naja - sie kann es. Ich noch nicht.
Warum?
Weil es mich innerlich juckt. So richtig derb. Weil ich schon seit Tagen eine Anspannung verspüre, die auch nach einem guten Whiskey oder zwei Folgen einer guten Netflix-Serie nicht verfliegt. Die einzige Lösung für mich ist:
Schreiben.
Hä, wieso das?
Es ist etliche Jahre her, dass ich mit der Arbeit an meinem Buch begonnen habe. Etliche Jahre, in denen ich oft abends 22:00 noch eine neue Szene erstellte und sie nachts um halb vier, wenn unsere Tochter eine Wachphase hatte, zu Ende brachte.
Es waren aber auch Jahre, in denen ich mich über Tage und Wochen, ja manchmal sogar Monate überhaupt nicht mit meinem Manuskript beschäftigte. Null, niente, nada. Die Arbeit war zu wichtig, unsere Tochter frisch auf der Welt, ein wichtiger Gig mit der Band stand an, irgendwas eben.
Über Prokrastination, das Wieder-Reinkommen-in-die-eigene-Geschichte und die dauerhaft schwelende Verzweiflung, es sowieso niemals vollenden zu können, kann ich ein Lied singen.
Heute geht es mir jedoch darum, über einen Effekt zu schreiben, der sich in diesen Phasen immer deutlich bemerkbar machte und zu enormem Unwohlsein führt.
Der sich aufstauenden Nichtschreibunruhe.
Heutzutage einen Text zu verfassen, ist einfacher denn je. Denn Laptops stehen quasi überall herum, Smartphones ja sowieso, und man kann fast zu jeder Sekunde jedweden Gedanken irgendwo festhalten, wenn man möchte.
Viel schwieriger ist es aber, sich konzentriert hinzusetzen und an etwas sinnvollem zu arbeiten.
Die nächste Szene zu Schreiben erfordert Konzentration. Selbst einen Blogbeitrag zu erstellen, ihn zu redigieren und für gut zu befinden, braucht ein gewisses Maß an Muße.
Deswegen werden diese "großen" Aufwände gerne gescheut, nach hinten geschoben, durch etwas anderes ersetzt.
Und sowieso, hier müsste jemand dringen mal aufräumen. Das Auto saugen! Habe ich schon den Kühlschrank gewischt?

Doch wenn schon seit Tagen der innere Wunsch besteht, endlich wieder am Manuskript zu arbeiten, es aber aus unterschiedlichen Gründen nicht klappt oder man sich die Zeit dafür nicht nimmt?
Dann baut sich - bei mir zumindest - ein innerer Druck auf, der mich richtig hippelig und rastlos werden lässt.
Und statt das einzig richtige zu tun - mich ans Werk zu machen - entlädt sich diese Anspannung dann in den fantastischsten Dingen. Zum Beispiel die endlose Suche nach dem neuen, richtigen, perfekten Laptop. Dem nächsten Schreibprogramm. Der ultimativen Instagram-Inspiration.
Aber all das hilft natürlich nicht, das immer stärker werdende Jucken zu beruhigen. Irgendwann ist der Prokrastinationsstress so hoch, dass es einfach passieren muss: Ich muss schreiben.
So wie jetzt gerade.
Und wenn ich mir endlich erlaube, mich wieder in Sog der schriftstellerischen Arbeit zu begeben, kann der Knoten platzen und aus "mal kurz wieder was am Buch machen" werden schnell zwei Stunden. Oder eben eine dreiviertel Stunde an diesem Blogartikel, statt der geplanten zehn Minuten.
Das schöne an dieser Tätigkeit: Anschließend ist es egal, was der Tag noch bringt. Die Kinder wollen den Nachmittag über Dauerbespaßung? Hier bin ich. Dringende Einkäufe im Supermarkt? Mach ich. Lange Ausflüge ins Nirgendwo? Klaro.
Oder eben einfach entspannt ins Bett gehen.
Denn an meinem Werk habe ich dann schon gearbeitet. Ich habe einen Schritt nach vorne gemacht und den Zähler der Tage, in denen das Manuskript mal wieder nur in meinem Kopf bearbeitet wurde statt an der Tastatur, auf Null gesetzt. Das Ventil ist gelockert und das Leben fühlt sich wieder leicht an.
Heute sehe ich mir noch eine Folge Blacklist an, danach gehe ich ins Bett. Mit dem entspannten Gefühl, einen weiteren Beitrag für meinen Blog = meine Website = mein Projekt = mein Buch geleistet zu haben.
Ein bisschen Schonfrist hab ich ja noch, bis meine kleine eifrige Testleser-Armee mir ihre gesammten Rückmeldungen durchgegeben hat. Ab da wird es wieder spannend, denn dann steht ein riesiges ToDo im Raum. Ich freue mich darauf!
Bis dahin gibt's Blogartikel. Bis demnächst also ;-) und
einen schönen Abend euch allen!
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