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Was ich von Testlesern gelernt habe

Als kurze Vorabbemerkung: Ich redigiere gerade zum dritten Mal mein Manuskript, doch nun das erste Mal mit dem Feedback von insgesamt 6 Testlesern.

Ich bin zur Hälfte durch (es sind knapp über 900 Seiten!)


Meine wichtigsten Erkenntnisse:

 

1. Es ist enorm wichtig, nicht nur Schwächen, sondern auch Stärken aufgezeigt zu bekommen!


Interessanterweise habe ich besonders zu den Szenen und Abschnitten, bei denen ich mir am unsichersten war, die schönsten Rückmeldungen bekommen. An diesen Stellen war ich nicht "überfantastisch", kitschig oder abgedreht, wie ich befüchtet hatte. Vielmehr schien ich so sehr im Fluss und "bei mir" gewesen zu sein, dass die Emotionen der Charaktere, ihre Beweggründe, oder manchmal einfach die um sie passierende Action am rundesten wirkten.

Aus diesen Rückmeldungen habe ich viele Stärken meines Schreibstils kennen gelernt und baue diese nun aus.. Das ist mindestens ebenso wichtig, wie alle textlichen Schwachstellen nochmal auszumerzen!

 

2. Sensibilisierung für allgemeine Problempunkte


Was mir regelmäßig von meinen Testlesern rückgemeldet wurde, waren die häufig unausgegorenen Gefühle der Protagonisten (insgesamt vier). Sie stritten zu viel, sie stellten sich gegenseitig ständig in Frage, sie rasteten nach (zu) kurzer Zeit aus, und wechselten von Wut über Trauer und Euphorie in ungeahnter Geschwindigkeit hin und her.

Zwei vorherige Manuskript-Durchgänge meinerseits haben dieses Problem nicht erkannt. Doch nach den ersten Fingerzeigen war es völlig offensichtlich! Das gute daran: Sobald man solch ein grundlegendes Problem erkannt hat, kann man eigenständig den weiteren Text daraufhin verbessern, auch wenn nicht jede einzelne Stelle angemerkt wird.

 

3. Schärfung von Charakter-Profilen


Ich bin mit klar definierten und ausgearbeiteten Charakteren ans Werk gegangen.

Dachte ich!

Spannungen, wo sie überflüssig oder übertrieben sind. Motivationen, die sich dem Leser einfach nicht erschließen. Multifunktions-Charaktere, die alles können, aber gerade dadurch nicht greifbar werden. Und Figuren, die zwar theoretisch anwesend sind, über mehrere Seiten aber verwirrenderweise nichts sagen, tun, oder sonst eine Rolle spielen.

Einerseits sind das schreibtechnische Schwächen. Ein Großteil davon gründete sich aber in lückenhaften Charakterprofilen, die eben doch noch nicht scharf genug definiert waren. Was ist die Motivation der Person, und wie reagiert sie in bestimmten Situationen? Ich habe mich stellenweise zu viel von meinen Figuren treiben lassen, und das in den ersten beiden Revisionen auch so belassen - erst Dank der Fingerzeige meiner Testleser bin ich mit der Nase Ungereimtheiten gestoßen. Nun übernehme ich beim Überarbeiten wieder die Zügel, und siehe da: Es liest sich besser!


 

4. Sich wiederholende Muster aufdecken


Ich liebe Geheimnisse, denn sie machen eine Geschichte spannend. Was ich aber unterschätzt habe, ist die Überforderung eines Lesers, wenn er zehn Stück davon im Kopf mit sich herum tragen muss, nur um festzustellen, dass sieben davon gar nicht wichtig waren. Meistens, weil sie kurze Zeit später sowieso aufgelöst werden und mit dem Verlauf der Geschichte nichts zu tun haben.

Ebenso hatte ich zu viele unerklärte Zeitsprünge zwischen den Kapiteln. Auch, wenn nur eine Nacht oder eine Woche vergangen ist, muss der Leser mitgenommen werden und nicht plötzlich in einem zeitlosen Lese-Raum stehen, dessen Kontext erst fünf Seiten später erklärt wird. Man kann das machen, ganz bewusst als Effekt. Falls es aber ständig passiert, lutscht sich dieser "Kniff" schnell ab und vermiest den Lesefluss, statt ihn zu fördern.

Beide Punkte konnte ich relativ einfach lösen: Unnötige Geheimnistuerei einfach eliminieren und häufiger Klartext reden - und dem Leser in den ersten Absätzen nach einem Zeitsprung erklären, was eigentliche gerade Sache ist.

Kurzum: Den Leser öfter bei der Hand nehmen.

 

5. Schreib einen Plot-Twist, der seinen Namen verdient hat!


Ja, natürlich habe ich einen Plot-Twist. Und die ersten Rückmeldungen hierzu waren durchweg positiv. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass der "Twist" so offensichtlich war, dass der ein oder andere davon ausging, es müsse noch etwas anderes passieren, denn so plakativ könne es ja nicht sein.

Ich habe bei meinen Lesern nachgefragt und wollte wissen, ob die Idee an sich einfach schlecht ist, oder eher dessen Herleitung. Und war sehr froh, herauszufinden, dass ich im Grunde nur an ein paar Stellschräubchen drehen muss, damit der der Plot-Twist auch zu der erwarteten Überraschung wird.

Ich hoffe, es ist mir gelungen - bestätigen können wird mir das frühestens mein Lektor :-)

 

In jedem Fall hat mich das Feedback meiner Testleser weiter voran gebracht, als ich jemals zu träumen wagte. Der jetzige, dritte Durchgang meines Molochs schleift die Geschichte daher auf eine bisher ungesehene Art und Weise!


Danke euch :-)

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